Wenn man heute die Toilettenspülung bedient, die Dusche benutzt oder die Spülmaschine anwirft, so ist dies alles sehr komfortabel und sauber. Das Frischwasser kommt aus dem einen Rohr, das Abwasser verschwindet in einem anderen Rohr. Früher war dies anders.... Da kam weder Wasser aus dem einen Rohr, noch verschwand Wasser in ein anderes... es gab keine Rohre... im heutigen Sinne.
Die Sickergrube
Wer früher auf die Toilette ging, benutzte entweder - dies meistens nachts - den "Nachttopf" oder tagsüber das "Plumpsklo". In beiden Fällen ging dies ohne unser heutiges Spülen vonstatten. Der Pinkelpott wurde entweder in der Sickergrube entleert oder im Garten in Fässer entsorgt, die mit anderen Fäkalien angereichert, einen guten Gartendünger ergaben.
Das Plumpsklo war nichts anderes als eine tiefe Grube, die mit körperlichen Abfallstoffen sukzessive gefüllt wurde. Dieses Material verfestigte sich und musste – je nach Größe der Grube und anfallenden Abfallstoffen – regelmäßig geleert werden. Hierzu benutzte man Eimer und Schaufel und schon war das Klo wieder nutzbar.
Wasser für den Haushalt musste mühselig gepumpt werden oder von Laufbrunnen aus dem Stadtgebiet in den Haushalt getragen werden. Dies vermied unseren heutigen Wasserbedarf, denn Wassereimer zu tragen, ist kein Vergnügen. Geduscht und gebadet wurde eher selten, das Wasser der Körperpflege und der Küche wurde ebenfalls im Garten entsorgt, da aggressive Reinigungsmittel meistens nicht eingesetzt wurden. Ganz einfach... Nach heutigen Umweltschutzmaßgaben fast schon ideal.
In der Darmstädter Straße 50 lag die Sickergrube - mit Entlüftungsrohr an der Westfassade versehen - unmittelbar unter dem Haus. Ein kleiner, durch Fenster belüfteter Raum diente als Toilette, dies auch nach Einrichtung eines Wasserklosetts.
Das Plumpsklo war nichts anderes als eine tiefe Grube, die mit körperlichen Abfallstoffen sukzessive gefüllt wurde. Dieses Material verfestigte sich und musste – je nach Größe der Grube und anfallenden Abfallstoffen – regelmäßig geleert werden. Hierzu benutzte man Eimer und Schaufel und schon war das Klo wieder nutzbar.
Wasser für den Haushalt musste mühselig gepumpt werden oder von Laufbrunnen aus dem Stadtgebiet in den Haushalt getragen werden. Dies vermied unseren heutigen Wasserbedarf, denn Wassereimer zu tragen, ist kein Vergnügen. Geduscht und gebadet wurde eher selten, das Wasser der Körperpflege und der Küche wurde ebenfalls im Garten entsorgt, da aggressive Reinigungsmittel meistens nicht eingesetzt wurden. Ganz einfach... Nach heutigen Umweltschutzmaßgaben fast schon ideal.
In der Darmstädter Straße 50 lag die Sickergrube - mit Entlüftungsrohr an der Westfassade versehen - unmittelbar unter dem Haus. Ein kleiner, durch Fenster belüfteter Raum diente als Toilette, dies auch nach Einrichtung eines Wasserklosetts.
Abb. 1: Die Sickergrube 1877 |
Bensheim wird kanalisiert - eine saubere aber teure Lösung
Da die individuelle Entsorgung der Abwässer in Anbetracht des Städte- und Bevölkerungswachstums nicht weiterhin über Sickergruben abgewickelt werden konnte, mussten die Städte - so auch Bensheim - ihr Kanalsystem errichten und ausbauen. Diese ab 1903 in Bensheim einsetzende Neuerung brachte den Vorteil, dass Sickerwasser nicht länger ins Grundwasser - ggf. sogar - Trinkwasser gelangte, gleichzeitig brachte dies aber auch immense Kosten für den jeweiligen Hausbesitzer. 1907 wird die Auerbacher Straße (jetzige Darmstädter Straße) mit Kanälen versehen.
Abb. 10: Anlage eines Rohrkanals in der Auerbacher Straße, 1907. |
In dem Lied "Bensem werd kanalisiert" von 1908 (Abb. 3) - dem Jahr als das Haus an die Kanalisation angeschlossen wurde (Abb. 2) - erzählt Joseph Stoll von dieser neuen Errungenschaft, allerdings spricht er auch die Probleme an, die das neue - noch "unerforschte" - System mit sich bringen sollte. Neben den Kosten stellte auch die Technik ein Problem dar.
Die im Lied besungenen Kosten stellten auch die Hausbesitzerfamilie Stoll vor große Probleme, wie Dokumente im Stadtarchiv Bensheim zeigen.
Abb. 2: Genehmigung |
Abb. 3: Lied
|
Abb. 4: Ratenzahlung |
Abb. 5: Rechnung |
Witwe Stoll bittet nach Anschluss ihres Hauses an das städtische Kanalnetz die Stadt Bensheim um Ratenzahlung (Abb. 4) der anfallenden Kosten von 562,04 Mark für den Kanalanschluss (Abb. 5). Die reinen Anschlusskosten (Material und Arbeitszeit) werden durch 10% Verwaltungsgebühr, also 56,20 Mark, nochmals angehoben. Dies kann die Witwe nicht leisten und ihrer Bitte wird im März 1912 mit einer Verzinsung von 4 1/2 % nachgekommen. Jährlich hat die Witwe 100 Mark zu zahlen. Durch weitere Kosten (die Neuanlage des Bürgersteigs) steigen die Kosten weiter und der Gesamtbetrag (Kanalisation und Gehsteig) kann erst im Jahre 1919 vollständig zurückgezahlt werden.
Abb. 6: Die neue Toilette und der Kanalanschluss 1908 |
Sauber?!... Von wegen!
Was im Lied noch lustig klingt, stellte eines der Hauptprobleme dar, welches noch bis 1993 Bestand haben sollte. Das tiefliegende Grundstück, bzw. die tiefliegende Toilettenanlage, sollte ursprünglich über einen Anschluss auf der Wilhelmstraße entsorgt werden. Dies war aber aufgrund der Länge der Leitung und der fehlenden Bereitschaft der von der Durchleitung des Abwasserrohres betroffenen Grundstückseigentümerin - Frau Wahl - nicht möglich.
Der in der Darmstädter Straße erbaute Kanal lag fast auf gleicher Höhe, wie der Kanalanschluss im Haus, was insbesondere bei Starkregenereignissen zu einem Rückstau in das Haus bzw. in den essentiellen Garten führte. Ein nachträglich installiertes Ventil, welches allerdings manuell bedient werden musste, sollte Abhilfe schaffen, vorausgesetzt, dass der Eigentümer bzw. Bewohner des Hauses darauf reagieren konnte.
Abb. 7 |
Der Besitzer der Hauses, Joseph Stoll, sieht sich in einem – im Stile der damaligen Zeit sprachlich aufwendig formulierten – Schreiben (Abb. 7) an das Stadtbauamt Bensheim veranlasst, auf den „Fluch der Neuerung“ aufmerksam zu machen. Während das Anwesen seit dem Kauf im Jahre 1889 „volle 19 Jahre lang von Wasserschäden jeder Art […] völlig verschont geblieben [sei]“, wurde es bereits 1908, also ein Jahr nach der Kanalisierung des Straßenzuges bei einem Starkregenereignis erheblich in Mitleidenschaft gezogen.
Starke Regenfälle ließen die Kanalisation (siehe Abbildung 10, Konstruktion eines Rohrkanals in der Auerbacher Straße) überlaufen und
durch die Hanglage, die den gesamten Bereich der Stadt in der Nähe des
Kirchbergs betrifft, baute sich in der Kanalisation der Kirchbergstraße
derart viel Druck auf, dass das Wasser der Auerbacher Straße (Darmstädter Straße) nicht mehr
abgeleitet werden konnte. Die Folge war ein regelmäßiges Austreten von
Regenwasser und Schwarzwasser in die Kellerräume, das zu erheblichen
Schäden und Unannehmlichkeiten führte. Auch der für die Eigenversorgung wichtige Garten wurde massiv durch die Wassermassen in Mitleidenschaft gezogen.
Hebewerk und alles gut...
Abb. 8: Hebeanlage seit 1993 |
Als in den 1970er Jahren das Anwesen vermietet wurde, bedurfte es auch einer Aufwertung der sanitären Anlagen. Der Einbau eines Badezimmers, weiterer Toiletten und Waschbecken erfolgte über den bestehenden Anschluss, wobei die immer noch bestehende Toilette im Erdgeschoss auch weiterhin anfällig war gegenüber austretendem Kanalwasser. Das Handventil stellte auch weiterhin die einzige Sicherheit dar.
Erst 1993, im Rahmen einer umfassenden Renovierung, wurde der Entschluss gefasst, das gesamte Haus an eine Hebeanlage, inklusive der benötigten Druckleitungen, anzuschließen. Damit entfiel zwar die ebenerdige Kanalleitung der Anfangsjahre, jedoch "schmückt" nun eine Druckleitung, die aufwendige an die Decke montiert werden musste, das Kellergewölbe.
Abb. 9: Der heutige Kanalanschluss |
Quellen
Ertl, Erika (1995): Damals in Bensheim und anderswo, S. 15.
Verfügbare Dokumente
- Joseph Stoll (1908): Lied - Bensem werd kanalisiert, Bensheim.
- Stadt Bensheim (1910): Gesucht der Witwe Stoll um Ratenzahlung.
- Stadt Bensheim, Städtisches Bauamt (1911): Rechnung über Kanalanschluss.
- Joseph Stoll (1913): Schreiben an Stadtbauamt Bensheim bezüglich Schäden durch Überflutung des Kanals.