Das Grundstück, welches heute zwei Anwesen beherbergt, wurde vor dem Bau des „alten Hauses“ (Nr. 50) als Anbaufläche einer Gärtnerei genutzt und hatte bis 1877 nur den Hauptteil des heute noch existierenden Nebenbaus als Gebäude. Durch den Bau des Hauses 1877 wurde das Nebengebäude durch eine Erweiterung an das Hauptgebäude angeschlossen, wobei die Funktion des Grundstückes als Gartenbaufläche des Gartenbaubetriebs auch weiterhin bestehen blieb. Dies änderte sich erst durch den Kauf des Hauses durch Franz Xaver Stoll 1888. Seitdem wurde das Grundstück für die Eigenversorgung der Familie genutzt. 1968 wurde das Anwesen Darmstädter Straße 50a erbaut und damit gingen große Teile des Gartens verloren. Die verbleibende Gartenfläche diente nun als Ziergarten und nur kleine Gemüsebeete verblieben.
Standen ursprünglich noch Gewächshäuser im westlichen Teil des Grundstücks, so wurden diese vermutlich durch den Zweitbesitzer Franz Xaver Stoll oder im Rahmen des Verkaufs bzw. der Zwangsversteigerung entfernt.
Auf allen Fotos, die es seit Beginn des Ersten Weltkriegs gibt, lässt sich die Dimension und vor allem die Systematik der Gartennutzung erkennen, die vornehmlich der Selbstversorgung diente. Ein Plan aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erfasste die genaue Nutzung – sprich die angebauten Produkte – des Gartens. Eine Lebensmittelbezugskarte Joseph Stolls stufte die dreiköpfige Familie Stoll sogar als „Selbstversorger“ ein, was in Anbetracht der Fläche und der Vielfalt realistisch erscheint. Zukäufe an Lebensmitteln umfassten Zucker, Seife, Speisefette und Öl, Butter und Nudeln. Anhand von Feldpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg lässt sich die Bedeutung des Gartens im Rahmen der Selbstversorgung ebenfalls ermitteln. Immer wieder verweist Joseph Stoll auf die Bedeutung des selbstgeernteten Gemüses in Zeiten von Mangel, wobei er seine Mutter vor dem Verkauf von überschüssiger Ernte warnt.
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Die 1960er Jahre
Die größten Einschnitte in die Funktion des Nutzgartens brachten der Bau des neuen Hauses – der Darmstädter Straße 50a – im Jahre 1968 und, bedingt durch den Tod der Witwe Joseph Stolls 1973, die Vermietung des Hauses „50“. Somit bestand aufgrund des Flächenverlustes, der Verteilung des Aushubs auf die bestehende Gartenfläche und der Aufteilung in zwei Gärten für Mieter und Vermieter kaum noch die Möglichkeit und auch nicht mehr das Interesse, den Garten für Obst- und Gemüseanbau zu nutzen, wobei auch die veränderten Lebens- und Konsumgewohnheiten seit dem Zweiten Weltkrieg die Nutzungsgewohnheiten der zur Verfügung stehenden Restfläche beeinflussten.
Ein weiterer flächenmäßiger Verlust an Grundstücksfläche erfolgte durch den Ausbau der B3 in den 1970er Jahren. Hierbei gingen erhebliche Teile des Vorgartens verloren.
Das Gartenhäuschen - In Chroniken und Romanen erwähnt
Eine Besonderheit im Garten, die auch in einem Sonderabdruck der Hessischen Chronik zu Franz Xaver Stolls Tod erwähnt wird, war das Gartenhaus, welches als Refugium diente und welches sich auch in einem Bild um 1900 wiederfinden lässt.
Selbst in dem Roman "Das Winzerfest" von Georg Engelbert Graf aus dem Jahre 1943 wird das Kleinod erwähnt. Auf Seite 100 heißt es:
"wo sein Vater [Anm.: Franz Xaver Stoll] seinerzeit auf einer Erhöhung in der Ecke des Gartens an der Straße eine Laube hergerichtet hatte, mit Geißblatt und wildem Wein dicht bewachsen und obendrein in einen Mantel von Jasminbüschen gehüllt – ein idyllischer Ausguck weithin die Straße hinauf und hinab und ein liebliches Versteck zugleich zu ungestörtem Pfeiferauchen und besinnlichem Trunk und zum Denken und Dichten [...]"
Der Hühnerstall
Nach dem Zweiten Weltkrieg war es überlebenswichtig, den Garten in die Lebensmittelversorgung der Familie einzubinden. Neben Gemüse und Obst kamen auch Hühner hinzu, die im Stall - der Erweiterung zwischen Nebenbau und Haupthaus - untergebracht waren. Hier wurde ein Holz-Hühnerstall errichtet, der aus den alten Wand- und Ziertäfelungen der "Bondelzwarts" des Hotels Bauer in Auerbach konstruiert wurde. Da die Hühner nach dem Krieg ein beliebtes Objekt der in der ehemaligen Taubstummenanstalt untergebrachten "displaced persons" waren, musste ein Teil des Gartens zu einer großen Hühnervoliere umgebaut werden. Dies geschah mit einfachsten Mitteln, hatte aber bis in die 1950er Jahre bestand. Da die Hühner auch in der Voliere nicht sicher waren, wurden sie so dressiert, dass sie auf Zuruf in den mittlerweile stark gesicherten Stall liefen und dort die Nacht verbrachten.